Nils Lehnert – wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Bremen – berichtet in seinem Beitrag vom 09-08-2023 auf dem Portal Kinderundjugendmedien.de über Maßnahmen ungarischer Behörden im Zusammenhang mit der Novel „Heartstopper“. Anders als die reißerische Überschrift zunächst vermuten lässt steht das Werk allerdings selbst gar nicht im Focus der Behörden, vielmehr geht es um seine Präsentation. Doch das erfährt man erst im weiteren Text: Ungarische Behörden verhängten eine Strafe in Höhe von 32.000 Euro gegen die Buchhandelskette Lira – weil diese die Graphic Novel „Heartstopper“, in der es um gleichgeschlechtliche Liebe geht, zum Verkauf angeboten hatte, ohne Kund*innen durch Folie das Durchblättern zu verunmöglichen.
Weiter heißt es dann: KinderundJugendmedien.de veröffentlicht an dieser Stelle zunächst die solidarisierende Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen e.V., bevor ein kontextualisierender Kommentar die mediale Berichterstattung einordnet.
Diese ‘kontextualisierende Einordnung’ liest sich dann so: Das deutschsprachige Medienecho dieser Ungeheuerlichkeit ist erfreulich einstimmig und sonor: SPIEGEL, Süddeutsche, Tagesspiegel … positionieren sich klar, indem sie auf die Verurteilung des ursprünglich „Maßnahmen gegen Pädophilie und zum Schutz von Kindern“ genannten Gesetzes durch die EU verweisen. DER STANDARD ist zurückhaltender und versteckt sich hinter neutraleren Formulierungen.
Klare Positionierung hier, Verstecken dort – man ahnt, was im Kopf des Autors vorgeht. Und es wird deutlich, worum es ihm eigentlich geht. Er missbraucht den Vorgang zu einer Generalabrechnung mit dem ‘System Orbán’, er konstatiert dass das Gesetz schon jetzt graduell zur Selbstzensur von Unternehmen führt, generell dem Machterhalt des Systems Orbán dient und die politische Stimmungsmache gegen queere Menschen anheizt – etwa dadurch, dass „die Regierung von Viktor Orbán Homosexualität – entgegen aller Fakten – in die Nähe von Pädophilie und Kriminalität rückt.“ (SPIEGEL)
Nun ist das ‘deutschsprachige Medienecho’ gar nicht so einstimmig, wie es der Autor gerne glauben machen will – sich einseitig auf Medien zu stützen, die bekanntermaßen ideologisch fixiert sind und journalistische Standards gerne auch einmal über Bord werfen ist a priori problematisch. Der Autor muss sich fragen lassen, ob er nicht unter dem Deckmantel einer ‘Einordnung’ selbst Stimmungsmache betreibt? Das ist umso bedenklicher, wenn sie auf einem Portal erscheint, das sich nach eigener Darstellung als das größte wissenschaftliche Onlineportal zur Kinder- und Jugendmedienforschung im deutschsprachigen Raum sieht. Damit ist Objektivität und Ausgewogenheit der Fakten eingefordert – was Wertung nicht ausschließt. Bei einem Portal, das mit Geldern der öffentlichen Hand eatbliert wurde und für das die ebenfalls weitestgehend aus Steuermitteln finanzierte Universität Duisburg-Essen mit dem Literaturprofessor Tobias Kurwinkel als Herausgeber verantwortlich zeichnet muss dies Grundmaxime der Arbeit sein. Mit ihrer Missachtung beraubt sich das Portal seiner Glaubwürdigkeit und verkommt zur Plattform eines woken mainstreams.
Deutlich wird hier ein Muster: willfährige Handlanger üben Kritik in der Art der Selbstgerechten, zu Vorgängen im eigenen Lande schweigt man. Etwa beim Verkaufsboykott von unbequemen Werken in Buchhandlungen, dem Ausschluss von Autoren wie Till Lindemann von Rammstein bei Kiepenheuer und Witsch aufgrund – wie jetzt von der Staatsanwaltschaft festgestellt – haltloser Vorwürfe, bei sensitivity Eingriffen oder der schikanösen Benachteiligung unerwünschter Verlage bei Buchmessen. Wie heißt es bei Matthaeus 7:3: Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?
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