Die gerade erschienene Aufsatzsammlung Provenienzforschung und Kunsthandel, herausgegeben von Peter Wehrle und realisiert vom Auktionshaus Ketterer Kunst München/Hamburg ist der Frage gewidmet, wie der Auktionshandel Provenienzforschung betreibt. Was passiert da, was ist Gegenstand der Forschung, mit welchem Zweck und mit welchen Ergebnissen? Nur Insider hatten bislang zu diesen Aspekten nähere Kenntnis, der Kunsthandel ist hier eher zurückhaltend und Forschungsergebnisse werden selten publiziert. Was hier gleichsam hinter den Kulissen geleistet wird ist für Dritte zumeist kaum erkennbar. Ketterer Kunst hat hierzu vor einigen Jahren eine eigene Abteilung eingerichtet, die sich auch international als sehr kompetent etabliert hat. Das Auktionshaus sieht sich in der Pflicht, die Geschichte insbesondere bei sogenannten ‘belasteten’ Kunstwerken zu rekonstruieren, mit dem Ziel diese im Einvernehmen mit früheren Eigentümern wieder dem Markt zuzuführen. Auch potentielle Käufer haben hieran ein vitales Interesse. Nicht zuletzt profitiert von diesen Ergebnissen auch die Kunstwissenschaft.
In der Verlagsankündigung heißt es dazu:
Mit dem vorliegenden Sammelband wird erstmals eine »Innenansicht« aus der Provenienzforschungsabteilung eines großen deutschen Auktionshauses publiziert, um Forschungsergebnisse zu bislang unbekannten jüdischen Sammlungen und Händlern der Wissenschaftsgemeinschaft zugänglich zu machen. Zugleich ist es aber auch ein Anliegen dieser Publikation zu zeigen, wie Provenienzforschung im Auktionshandel betrieben wird oder betrieben werden kann. Renommierte Gastautorinnen und Gastautoren aus Forschungseinrichtungen, Museen, dem internationalen Restitutionswesen, Privatarchiven und dem Kunsthandel geben den konkreten Fallbeispielen Rahmen und Überbau. Die Texte zeigen das oftmals spannungsreiche Verhältnis zwischen Kunsthandel und Kunstwissenschaft. Sie verdeutlichen aber auch die Chancen und Möglichkeiten, die ein kollegialer Austausch auf dem Forschungsfeld der Provenienzforschung bieten kann und sollte. So ist die vorliegende Publikation, 25 Jahre nach der Verabschiedung der „Washingtoner Prinzipien“, mit denen der staatliche, keineswegs aber der private und privatwirtschaftliche Umgang mit NS-Raubkunst neu geregelt wurde, auch ein Aufruf: für Transparenz, für Zusammenarbeit, und für ein gemeinsames Ziel.
Provenienzforschung und Kunsthandel. Hrsg. v. Peter Wehrle, mit Texten von Sabine Disterheft, Carolin Faude-Nagel, Christina Feilchenfeldt, Christian Fuhrmeister, Robert und Gudrun Ketterer, Stephan Klingen, Sarah von der Lieth, Mario-Andreas von Lüttichau, Susanne Meyer-Abich, Stefan Pucks, Anna B. Rubin, Theresa Sepp, Sandra Sykora, Agnes Thum, Katharina Thurmair und Peter Wehrle, erschienen im Ernest Rathenau Verlag, Karlsruhe 2023. 176 Seiten, 84 Farb- und 14 Schwarz-Weiß-Abbildungen, Texte deutsch mit englischen Abstracts (Text v. Anna B. Rubin in englischer Sprache), Klappenbroschur, 240 × 174 mm, 542 gr. ISBN: 978-3-946476-13-9 (Softcover dt.)
Besonders erfreulich hierbei: das Buch ist im open access verfügbar.